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Rund 50.000 eingebürgerte Deutschlandtürken und einige Zehtausend Aussiedler sind vom Verlust ihrer deutschen Staatsbürgerschaft bedroht. Und bei Verlust ihrer deutschen Staatsangehörigkeit müssen diese Menschen noch dazu um den alten Aufenthaltsstatus kämpfen.

Bekanntlich ist am 1. Januar 2000 das neue Staatsangehörigkeitsrecht in Kraft getreten. Die Bundesregierung wollte bei der Einbürgerung zunächst die Beibehaltung der alten Staatsbürgerschaft und damit die generelle Hinnahme von Mehrstaatigkeit akzeptieren. Nach dem Verlust der Mehrheit im Bundesrat infolge der Wahlen in Hessen, der eine Unterschriftaktion gegen den Doppelpass von CDU und CSU vorangegangen war, nahm die Bundesregierung von dieser Idee Abstand.

Mehr noch: Sogar die bis dahin bestehende Möglichkeit des § 25 Abs.1 Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes wurde gestrichen. Nach Maßgabe dessen war es bis dahin noch möglich gewesen, die alte, also die aufgegebene Staatsbürgerschaft nachträglich erneut zu erwerben.

Vor allem viele Deutschlandtürken, die sich ausbürgern lassen mussten, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben, haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und so nachträglich ihre türkische Staatsangehörigkeit zurückerhalten.

Insbesondere vor Inkrafttreten des neuen Staatsangehörigkeitsrechts haben viele Menschen diesen Weg beschritten. Sie haben in den Jahren 1998 und 1999 die deutsche Staatsbürgerschaft erworben und dann den Rückerwerb der türkischen Staatsbürgerschaft beantragt. Die Regierungen in der Türkei haben wegen des großen Andrangs die Bearbeitung dieser Anträge jedoch nicht zügig realisieren können, so dass einige zehntausend Antragsteller die türkische Staatsbürgerschaft erst nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes, also nach dem 1.1. 2000 erhielten.

Diese Antragsteller, die mit Vertrauen auf das geltende Recht die türkische Staatsangehörigkeit beantragt haben, konnten nicht ahnen, dass sie durch ein nachträglich geschaffenes Gesetz die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren würden. Wir sind der Überzeugung, dass der Gesetzgeber hierzu eine Übergangsregelung hätte schaffen müssen, um dieses Unrecht zu verhindern.

Nun drohen ihnen neben dem Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft auch noch Probleme mit ihrem Aufenthaltsstatus. In der Regel besaßen sie eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung (nach neuem Recht Niederlassungserlaubnis).

Dies ist schon aus Gründen des Grundsatzes der Gleichbehandlung nicht hinnehmbar. Gegenüber denen, die vor dem Jahre 2000 nach der deutschen auch die alte Staatsbürgerschaft erneut erwarben, sind sie ohne eigenes Verschulden substantiell schlechter gestellt.

Deshalb fordern wir auch für diese deutschen Staatsbürger Gleichbehandlung.

Das neue Staatsangehörigkeitsrecht sieht einige Ausnahmeregelungen vor, unter denen die Beibehaltung der alten Staatsbürgerschaft möglich ist. § 87 (2) sieht die Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit für Ausländer mit längerem Aufenthalt dann vor, wenn der Ausländer »die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Union besitzt und Gegenseitigkeit besteht«. Hier wurden vor allem Türken benachteiligt. Dieser Paragraph ist weder rechtlich noch moralisch und noch weniger gesellschaftspolitisch vertretbar. Die Türkei akzeptiert und praktiziert Mehrstaatigkeit auch für deutsche Staatsbürger. Da aber die Türkei nicht Mitglied der EU ist, können die Deutschlandtürken von dieser wichtigen Ausnahmeregelung keinen Gebrauch machen.

Eines der zentralen Ziele der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts sollte es sein, den 7,3 Mio. Menschen, die zum Teil seit 20, 30, 40 oder mehr Jahren hier leben, von denen viele in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft zu erleichtern. Diese Reform sollte zum einen für die rechtliche Gleichstellung, zum anderen aber auch im wohlverstandenen Eigeninteresse Deutschlands für eine bessere Integration dieser Bevölkerungs­gruppe in die deutsche Gesellschaft sorgen.

Manch bornierter Politiker in Deutschland hat offenbar aus parteipolitischem Interesse heraus nicht begreifen wollen, dass eine erfolgversprechende Integrationspolitik nicht möglich ist, solange keine gleichberechtigte Aufnahme der zum »Ausländerdasein« herabgewürdigten Menschen gewährleistet ist. Ohne politische Rechte, das zeigen gerade auch die Erfahrungen bei fast allen Wahlen der letzten Jahre, werden diese Millionen von politisch rechtlosen Inländern ohne deutschen Pass allzu oft als Sündenböcke instrumentalisiert.

Deutschland hat im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarn seine das Staatsbürgerschaftsrecht betreffende Rückständigkeit bislang nicht überwinden können.

Unser Eintreten, unser Kampf für Bürgerrechte bleibt aktueller denn je und wird mit allen demokratischen Mitteln konsequent weitergehen. Wir geben unsere Hoffnung nicht auf, dass ein demokratischer Rechtsstaat inmitten Europas Millionen seiner Bewohner nicht auf Dauer als Ausländer mit minderen Rechten leben lassen kann und darf. Diese Tatsache werden auch die Konservativen und die Liberalen dieses Landes begreifen müssen.

Vorschläge der TGD zur Lösung des Problems:

1) Änderung des § 25 StAG

Die seit dem 1.1.2000 gültige Fassung lautet:

(1) Ein Deutscher verliert seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag oder auf den Antrag […] des gesetzlichen Vertreters erfolgt, […] der Vertretene jedoch nur, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 19 die Entlassung beantragt werden könnte.

(2) Die Staatsangehörigkeit verliert nicht, wer vor dem Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit auf seinen Antrag die schriftliche Genehmigung der zuständigen Behörde zur Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit erhalten hat. Hat ein Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, ist die deutsche Auslandsvertretung zu hören. Bei der Entscheidung über einen Antrag nach Satz 1 sind die öffentlichen und privaten Belange abzuwägen. Bei einem Antragsteller, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob er fortbestehende Bindungen an Deutschland glaubhaft machen kann.

(3) (weggefallen)

Abs. (3) sollte nach unserer Meinung wie folgt gefasst werden:

Die Staatsangehörigkeit verliert nicht, wer nach dem 1.1.2000 auf seinen Antrag eine andere Staatsangehörigkeit erworben hat und der zuständigen Stelle bis zum 31.12.2006 die Entlassung aus der erworbenen Staatsangehörigkeit nachweist.

Mit dieser Regelung könnte vielen geholfen werden und ihnen unnötige Verfahrensregelungen wie erneute Anträge auf einen Aufenthaltstitel oder die deutsche Staatsangehörigkeit erspart bleiben. Diese Regelung würde auch nicht zu doppelten Staatsbürgerschaften führen, so dass auch die B-Länder zustimmen könnten.

2) Verfahrensvorschläge bei gleichbleibender Rechtslage

a)      Aufgrund des Assoziierungsabkommens zwischen der Republik Türkei und der Europäischen Union aus dem Jahre 1980, bekannt als ARB 1/80 (Assoziationsratsbeschluß) haben türkische Staatsbürger, solange sie dem Arbeitsmarkt angehören, Recht auf Arbeitserlaubnis und somit auf Aufenthaltserlaubnis.

Demnach müssten sie bei Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft ihren alten Aufenthaltsstatus (unbefristete Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung (seit dem 1.1.2005 Niederlassungserlaubnis) erhalten.

Die TGD appelliert an die Bundesländer, hierbei eine generelle Regelung einzuführen. Bei denjenigen türkischen Staatsangehörigen, die nicht unter ARB 1/80 fallen, greift § 38 AufentG. Hierbei sollte die Erteilung eines Aufenthaltstitels wohlwollend erfolgen.

b)      Nachdem der Aufenthaltstitel erteilt worden ist, können sie erneut einen Antrag auf deutsche Staatsangehörigkeit stellen.

Hierbei sollten die Voraussetzungen für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit (§ 10 StAG) im öffentlichen Interesse angewandt werden, um diesen Menschen den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu erleichtern.

Bei denjenigen, die die deutsche Staatsangehörigkeit nach dem 1.1.2000 erworben und bereits einen Deutsch-Test gemacht haben, sollte von einer weiteren Prüfung abgesehen werden. Ebenfalls könnte die Einbürgerungsgebühr gemäß §38 StAG erlassen oder reduziert werden.

c)      Bei den jeweiligen Landesausländerbehörden sind Stellen speziell für diesen Personenkreis einzurichten, damit eine einheitliche Umsetzung sichergestellt werden kann.

Prof. Dr. Hakkı Keskin                                  Kenan Kolat

Bundesvorsitzender                                       Stellv. Bundesvorsitzender

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