Vielleicht haben die Beleidigungen von Herrn Poggenburg ja den positiven Effekt, dass viele Menschen in der Folge einen Blick auf die Homepage der Türkischen Gemeinde in Deutschland riskieren. Was sie dort finden sind Geschichten von Demokratie und Vielfalt, von Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte, die gemeinsam Verantwortung für ihr Gemeinwesen, unser Land, und unsere Demokratie übernehmen. Kümmel kaufen Sie am besten beim Gewürzhändler Ihres Vertrauens. Und wenn Sie Kamele sehen wollen, ist eine Reise in die Türkei eher ungeeignet.
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD) stellt klar:
„Wir werden unsere Zeit nicht damit verschwenden, uns an rassistischen Beschimpfungen abzuarbeiten. Dass die AfD hierfür steht, daran kann doch kein Zweifel mehr bestehen und angesichts der zuständigen Personen ist das auch nicht verwunderlich. Konzentrieren sollten wie uns lieber auf die demokratische Auseinandersetzung. Wir sind Bürger*innen dieses Landes und beteiligen uns selbstverständlich am demokratischen Diskurs, am Erhalt des gesellschaftlichen Zusammenhaltes und am Bau einer Gesellschaft, die offen, optimistisch und vielfaltsbewusst auf eine lebenswerte Zukunft zusteuert. Kurz gefasst könnte man festhalten: Deutschland ist unsere Heimat – besser noch unser Zuhause – und das ist auch gut so!“
Wenn das so ist, warum also kritisiert die TGD die Schaffung eines Heimatsministeriums?
In der Zeit hat der Journalist Daniel Schreiber es auf eine einfache Formel gebracht: „Auch wenn es zunächst kontraintuitiv klingt: Man sollte den Begriff der Heimat unbedingt dem rechten Rand überlassen – wenn man ihn übernimmt, legitimiert man sein nationalistisches, fremdenfeindliches und populistisches Potenzial und leistet unfreiwillig Schützenhilfe. Man adelt die erneute politische Instrumentalisierung dieses Begriffs nur, indem man ihn hilflos selbst zu instrumentalisieren versucht.“
Die Verunsicherung in Zeiten der Globalisierung, der Digitalisierung, der rasanten Veränderungen, der medialen Dramatisierung bringt bei sehr vielen Menschen (herkunftsunabhängig) eine Sehnsucht hervor. Die Sehnsucht nach Sicherheit, nach Berechenbarkeit, nach einem Zuhause, wo einem nichts und niemand etwas anhaben kann. Die Frage ist nun: Instrumentalisieren wir diese Sehnsucht, so dass sich die Menschen wieder autokratische Führer wünschen? Die Türkische Gemeinde in Deutschland ist überzeugt: Der Schlüssel zu diesem „Sehnsuchtsort“ ist ein besserer gesellschaftlicher Zusammenhalt, mehr Solidarität und mehr Teilhabe. Wir alle müssen gemeinsam Verantwortung übernehmen für unser Zuhause.
Sofuoğlu ergänzt: „Wir stehen an einem Scheideweg der Geschichte. Wollen wir Trump oder Trudeau? Wollen wir demokratische Kultur oder demagogische Kloake?“
Als Türkische Gemeinde in Deutschland bleiben wir dabei, dass wir das Wiederbeleben des Begriffs auf der politischen Bühne für einen Fehler halten. Es ist legitim und zu erwarten, dass Menschen und Organisationen anderer Meinung sind. Deswegen muss man niemanden beleidigen. Kommen Sie doch einfach mit uns ins Gespräch! (info@tgd.de)
An unseren zukünftigen Bundesminister des Innern hat der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoğlu, eine klare Erwartung:
„Es ist jetzt an Herrn Seehofer deutlich zu sagen, dass es um die Heimat aller in Deutschland lebenden Menschen geht, dass 23,5 % der Menschen mit Migrationsgeschichte selbstverständlich Teil dieser Heimat sind, mit allen Pflichten und Rechten sie mitzugestalten. Herr Seehofer, wir finden der Ball liegt bei Ihnen!“