Sehr geehrte Frau Bundesministerin Faeser,
die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) bedankt sich herzlich für die Möglichkeit der Stellungnahme und begrüßt die lange geforderte Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts. Die Modernisierung stellt einen wichtigen Schritt dar, die Versprechen unserer Verfassung im Hinblick auf Teilhabe und Chancengerechtigkeit einzulösen. Zudem fördert ein Staatsangehörigkeitsrecht, das auf Anerkennung und Wertschätzung ausgelegt ist, auch das Zugehörigkeitsgefühl zu Deutschland und der deutschen Gesellschaft. Die Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts wird ein wichtiger Baustein dafür sein, dass sich die gesellschaftliche Realität auch in der Bevölkerung besser abzeichnet.
Der Referentenentwurf zum Staatsangehörigkeitsgesetz weist jedoch in seiner jetzigen Form noch einige Mängel auf, weshalb wir gerne folgende Vorschläge unterbreiten möchten:
- Der mündliche Sprachtest für die Generation der sogenannten Gastarbeiter*innen und Vertragsarbeiter*innen stellt eine unnötige Hürde dar. Es wäre ein gutes Zeichen, diesen Menschen die Staatsangehörigkeit einfacher zu ermöglichen. Sie haben dieses Land mit aufgebaut und Steuern an den Fiskus gezahlt, ohne wahrhafte Integrationsangebote zu erhalten. Eine langfristige Integration war von der Politik damals nicht vorgesehen, weshalb lange Zeit keine zugänglichen Sprachkurse angeboten wurden.
- Nach aktuellem Entwurf sind rassistisch und antisemitisch motivierte Handlungen bereits ein Ausschlusskriterium für eine Einbürgerung. Natürlich positionieren wir uns als Teil der Menschenrechtsbewegung gegen jede Form von Diskriminierung, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie gegen institutionellen und strukturellen Rassismus. Jedoch bleibt im Entwurf offen, was genau mit „Handlungen“ gemeint ist. Es stellt sich also die Frage, ob von der Meinungsfreiheit abgedeckte Meinungen oder die Teilnahme an Demonstrationen zukünftig zu einem K.O.-Kriterium werden könnten. Die Überprüfung darf nicht ausufern in einen willkürlichen Gesinnungstest und darf auch nicht ausschließlich im Ermessen der Sachbearbeiter*innen liegen.
- Darüber hinaus wird die geplante Verschärfung bei der Pflicht zur Lebensunterhaltssicherung drastische Auswirkungen gegenüber der jetzigen Rechtslage entfalten. Durch diese Verschärfungen würden alle Menschen, die nicht in Vollzeit arbeiten (können) und ergänzende Leistungen vom Jobcenter oder Sozialamt benötigen, vom Einbürgerungsanspruch ausgeschlossen werden. Davon wären zum Beispiel folgende Personen betroffen:
- Menschen mit Behinderung, die in stationären Einrichtungen leben und ihren Lebensunterhalt über das SGB XII vom Sozialamt
- Alleinerziehende, die aufgrund der Kinderbetreuung nicht (Vollzeit) arbeiten können und bei denen Unterhaltsvorschuss, Kinderzuschlag, Kindergeld und Wohngeld nicht
- Pflegende Angehörige, die nicht in Vollzeit arbeiten können und deshalb Bürger*innengeld beziehen müssen.
Somit stellt die geplante Verschärfung eine mittelbare Diskriminierung von Menschen mit Behinderung, Alleinerziehenden und pflegenden Angehörigen dar. Aus diesem Grund sollten keine neuen Einschränkungen geschaffen werden. Halten Sie an der bisherigen Regelung zur Lebensunterhaltssicherung in § 10 Abs. 1 Nr. 3 StAG fest.
- Außerdem sind die Einbürgerungsbehörden bereits jetzt sehr überlastet, was zu extrem langen Wartezeiten für die Betroffenen führt. Mit dem Gesetz muss also auch der personelle Missstand, der mit der Modernisierung noch verschärft wird, in den Behörden behoben werden.
- Im Grunde könnte diese Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts wahrhafte politische und gesellschaftliche Teilhabe für in Deutschland geborene Kinder ermöglichen, wenn ein uneingeschränkter ius soli sich im Gesetzestext wiederfindet. Unabhängig von der Staatsangehörigkeit und dem Aufenthaltsstatus der Eltern muss jedes neugeborene Kind einen deutschen Pass erhalten.
Vielen Dank für die Berücksichtigung unserer Stellungnahme.