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Mögliche Gründe für den Kompetenzrückgang im Rahmen der im Frühjahr 2022 erhobenen PISA-Studie

Die im Frühjahr 2022 erhobene PISA-Studie, welche seit dem Jahr 2000 in einem dreijährlichen Turnus (mit Ausnahme des Corona-Jahres 2021) die schulischen Leistungen der 15-Jährigen Schülerinnen und Schüler in den Kompetenzbereichen Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften erhebt, zeigte einen deutlichen Rückgang grundlegender Kompetenzen deutscher Schülerinnen und Schüler im Vergleich zur Datenerhebung der PISA-Studie aus dem Jahr 2018. Die schulischen Leistungen der Schülerinnen und Schüler in Deutschland werden aktuell in Mathematik und Lesekompetenz unter dem Durchschnitt der Mitgliedstaaten der OECD angesiedelt, während sie in den Naturwissenschaften leicht darüber liegen. Im Vergleich zum Jahr 2018 schnitt Deutschland in allen Bereichen deutlich besser ab und lag damit über dem Durchschnitt der OECD-Mitgliedstaaten. Grundsätzlich ergab sich seit 2018 in den meisten Ländern ein Rückgang der Schulleistungen in allen drei Kompetenzbereichen, mit Japan als Ausnahme, was sicherlich mitunter auf die beschlossenen Lockdown-Phasen während der Pandemiejahre zurückgeführt werden kann.

Die Ergebnisse verdeutlichen erhebliche Defizite im Bereich des deutschen Bildungssystems und fordern zu sofortigen Handlungsmaßnahmen auf. Zunächst sollte jedoch eine Vielzahl unterschiedlicher Einflussfaktoren im Kontext der Ursachenergründung eines derartigen Leistungsrückgangs angeführt werden, um darauf gründend adäquat reagieren zu können.

Ein entscheidender Faktor, der zu Beginn angeführt werden sollte, ist der massive Lehrermangel, der in den meisten Regionen Deutschlands herrscht. Vor allen Dingen die Bundesländer Nordrhein-Westfahlen, Niedersachsen und Berlin haben erhebliche Engpässe zu beklagen. Dieser Mangel an qualifiziertem Lehrpersonal führt nicht nur zu überfüllten Klassen, die eine unzureichende Lernatmosphäre mit zahlreichen Störfaktoren bedingen, sondern auch dazu, dass Vertretungsstunden oft nicht gehalten werden können. Der sich aufsummierende Unterrichtsentfall, der daraus resultiert, hinterlässt Lücken im Bildungsweg der Schülerinnen und Schüler, die kaum oder gar nicht gefüllt werden können. Defizite, vor allen Dingen in Bezug auf basale Kompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen, welche unverzichtbare Grundlagen darstellen, die sich, sofern nicht ausreichend vorhanden, negativ auf alle Leistungsbereiche auswirken – auch Jahrgangsübergreifend – beeinträchtigen den Lernprozess.

Zudem kann der thematisch straff organisierte Lehrplan, der oft zu wenig Raum für individuelle Förderung und Binnendifferenzierung lässt, als ein weiterer möglicher Grund für die deutlich unterdurchschnittlichen PISA-Ergebnisse angegeben werden. Der Zeitmangel, der alljährlich im Unterricht vorherrscht, kann dazu führen, dass grundlegende Themen nicht ausreichend behandelt und vertieft werden können, was sich wiederum negativ auf das Verständnis der Schülerinnen und Schüler auswirkt.

Einen weiteren zu kritisierenden Aspekt stellt die oft unzureichende Qualifikation des Lehrpersonals dar. Dem bereits vorherrschenden Lehrkräftemangel wird zwar seit einigen Jahren mithilfe von Quereinstiegsprogrammen entgegengewirkt, welche auch an der ein oder anderen Stelle Personalengstellen ausgleichen können, allerdings dazu führen, dass auf Seiten didaktischer und fachlicher Kompetenzen Abstriche gemacht werden müssen. Dies betrifft besonders Fächer, in denen fundiertes Fachwissen und pädagogische Fähigkeiten gleichermaßen wichtig sind.

Die Zusammensetzung heterogener Klassengemeinschaften, die zumeist einen hohen Differenzierungsgrad erfordert, gepaart mit Schülerinnen und Schülern, die sich aufgrund ihres Migrationshintergrundes mit besonderen Herausforderungen im Kontext von Fächern, die gute deutsche Sprachkenntnisse voraussetzen, konfrontiert sehen, stellt einen weiteren Risikofaktor dar. Der Umgang mit unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten und kulturellen Hintergründen erfordert spezielle pädagogische Ansätze, die nicht immer ausreichend berücksichtigt werden. So sollten besonders sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche, Schülerinnen und Schüler mit besonderen Bedürfnissen – aufgrund von kognitiven, psychischen oder sprachlichen Defiziten – in der Unterrichtsplanung berücksichtigt werden, was aufgrund der zuvor genannten Ressourcenknappheit auf unterschiedlichen Ebenen zumeist nicht gelingt.

Abschließend sollte ein ganz maßgeblicher Einflussfaktor schulischen Gelingens nicht außer Acht gelassen werden, der Präsenzunterricht. Die durch die COVID-Pandemie erzwungenen Lockdowns führten zu erheblichem Unterrichtsausfall und dem Fehlen von Präsenzunterricht, was einen tiefgreifenden Einfluss auf das Lernumfeld der Schülerinnen und Schüler hatte. Unter der abrupten Umstellung auf digitale Lehrmethoden und Fernunterricht während der Lockdowns litten vor allen Dingen bereits benachteiligte Schülerinnen und Schüler, die schon präpandemisch erhebliche Bildungsdefizite aufwiesen. Zudem verfügten nicht alle Schülerinnen und Schüler über die notwendige Ausstattung oder den Zugang zu stabilen Internetverbindungen, was die bereits vorherrschende Chancenungleichheit verschärfte.

Die fehlende persönliche Interaktion mit Lehrpersonal und Gleichaltrigen könnte auch zu einem Mangel an sozialer Unterstützung und Motivation geführt haben. Der persönliche Austausch im Klassenzimmer ist nicht nur für den Wissenserwerb, sondern auch für die Entwicklung sozialer Fähigkeiten von großer Bedeutung. Darüber hinaus haben die Herausforderungen während der Pandemie möglicherweise auch den Stress und die Unsicherheit für Schülerinnen und Schüler erhöht, was sich negativ auf ihre Lernbereitschaft und -leistung ausgewirkt haben könnte. Fehlende Privaträume zum Lernen, familiäre Schwierigkeiten und der ständige Aufenthalt in den eigenen vier Wänden führten schließlich bei einigen Kindern und Jugendlichen zu depressiven Verstimmungen, die in chronischen Krankheiten mündeten und eine temporäre oder zeitlich unbegrenzte Schulunfähigkeit hervorriefen.

Im Hinblick auf die Analyse der PISA-Ergebnisse und die daraus zu schließenden Konsequenzen ist es entscheidend, diese vielfältigen Faktoren zu berücksichtigen und gezielte Maßnahmen zu ergreifen, um das Bildungssystem nachhaltig an die gegenwärtigen Herausforderungen anzupassen. Staatlich subventionierte Programme zur Verbesserung von Lehrqualifikationen, eine gezielte Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Bedürfnissen und die Anpassung des Lehrplans an die sich im Zuge der Migrationswellen veränderten sprachlichen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Grundkenntnisse könnten erste wichtige Schritte sein, um die Bildungschancen für alle Schülerinnen und Schüler gleichermaßen zu verbessern.

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