Die Fraktionen der Regierungsparteien wollen ihre Scheinreform des Staatsangehörigkeitrechts an den Betroffenen vorbei und ohne Beachtung ihrer berechtigten Kritik an diesem Gesetzentwurf durchsetzen.
Da uns morgen die Tür zur Anhörung verschlossen bleibt, bitten wir die Medien, unsere Kritik und unsere Forderungen an diesen Entwurf an die deutsche Öffentlichkeit weiterzuleiten. Rund 170 Vereine und Organisationen teilen die folgende Kritik und unterstützen diese Forderungen.
Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts darf keine Verschlechterung mit sich bringen!
“Verbesserung der Integration der dauerhaft In der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer und Ihrer hier geborenen Kinder durch Erleichterung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit”, so die Zielsetzung des vorgelegten Gesetzentwurfes der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 16.03.1999.
Vor allem für Millionen Menschen der ersten Ausländergeneration bringt der Entwurf in ganz zentralen Punkten dagegen Verschlechterungen und ungleiche Behandlung:
- Die Bundesregierung wollte die generelle Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft akzeptieren. Jetzt will sie sogar eine bisher bestehende Möglichkeit im §25/a, nach Maßgabe dessen die alte, also die aufgegebene Staatsbürgerschaft, nachträglich erneut erworben werden konnte, beseitigen. Diese selbst von der Regierung Kohl nicht angetastete Möglichkeit zu verhindern, würde der Intention und Glaubwürdigkeit dieser Regierung gänzlich widersprechen.
- § 87 (2) sieht die Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit für Ausländer mit längerem Aufenthalt vor, wenn der Ausländer “die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Union besitzt und Gegenseitigkeit besteht.” Hier werden ganz offensichtlich vor allem Türken benachteiligt. Dieser Paragraph ist weder rechtlich, noch moralisch und noch weniger gesellschaftspolitisch vertretbar. Daher muß dieses Recht für alle Antragsteller gelten, wenn Gegenseitigkeit gegeben ist.
- Die Einführung des Territorialprinzips, selbst wenn dies bis zum 23. Lebensjahr gelten soll, ist auch für uns eine wichtige Erneuerung und Verbesserung. Dieses Recht jedoch rückwirkend bis zum 10. Lebensjahr einzuengen, ist völlig willkürlich und nicht nachvollziehbar. Im Interesse der Zielsetzung dieses Gesetzesentwurfes müßte diese Möglichkeit mindestens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gelten.
- Neuerdings sollen auch “ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache” verlangt werden, was kein objektives Kriterium darstellt und für Einwanderer der ersten Generation oft nicht zu erfüllen ist. Nach geltender Praxis reichen einfache Deutschkenntnisse als eines der Einbürgerungskriterien aus. In dem ersten Entwurf vom Bundesminister des Inneren, Otto Schily, war hierfür »Eine Verständigung mit dem Einbürgerungsbewerber in deutscher Sprache« vorgesehen, was der geltenden Praxis entsprach. Wir plädieren daher für die Beibehaltung dieser Regelung.
- Der Entwurf will die Gebühren von DM 100,- auf DM 500,- für Erwachsene erhöhen. Die· Notwendigkeit hierfür sehen wir nicht.
Prof. Dr. Hakkı Keskin
(Bundesvorsitzender)