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Der Bielefelder Prof. Hans-Ulrich, der in der Fachöffentlichkeit als “Doyen der Historiker” galt, hat sich in seinen Beiträgen am 14.06.2002 beim Jahresempfang der Universität Bielefeld, am 10.09.2002 in der TAZ und am 12.09.02 in der ZEIT zur Integration der Türken und zur EU-Kandidatur der Türkei geäußert. Der Inhalt und die Art und Weise dieser Äußerungen haben in der Türkischen Gemeinde tiefe Bestürzung ausgelöst.

Es ist bekannt, dass Herr Prof. Dr. Ulrich über ein exzellentes sprachliches Artikulationsvermögen verfügt. Ausgerechnet bei diesen sehr sensiblen Themen verfällt er in eine vulgär-populistische Terminologie. Er spricht ausdrücklich von einem “Türkenproblem”, von einer islamischen Diaspora in Deutschland, von 12 Millionen Türken im Jahr 1923, die jetzt bei 67 Millionen angekommen sind, bei einem EU-Beitritt in 2012/14 bei 90 Millionen sein würden und von 40 Millionen arbeitslosen Anatoliern.

Er suggeriert damit eine islamisch-türkische Flut in Deutschland und Europa. Er bereitet damit den Nährboden für die fremden- und integrationsfeindlichen Kräfte, legitimiert die Argumente der nationalistischen Kreise und fördert gleichzeitig auch die Animositäten gegen den europäischen Einigungsprozeß.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland tritt uneingeschränkt für die Integration und die soziale Gleichstellung aller EinwanderInnen in die deutsche Gesellschaft ein. Wir wenden uns daher gegen alle öffentlichen Äußerungen, die durch ihren vulgär-populistischen Charakter geeignet sind, die erzielten Integrationserfolge zu leugnen und den weiteren Integrationsprozeß zu konterkarieren.

Zu einigen Äußerungen von Prof. Dr. Wehler möchten wir Stellung beziehen:

–          Es gibt in Deutschland keinen “Kampf der Kulturen”, sondern einen Kampf um Integration und gesellschaftliche Gleichstellung.

–          Herr Wehler beklagt die “Provinzialität der Historikerzunft” (TAZ 10.9.02). Die Mutation von angesehenen wissenschaftlichen Autoritäten zu schwadronierenden Wissenschaftspopulisten dürfte in unserer Gesellschaft das größere Problem sein.

–          Die Begriffskreation von Herrn Wehler “Multi-Gutmenschen” indiziert die Ablehnung der auf Liberalität und Pluralismus basierenden offenen Gesellschaft.

–          Die Bundesrepublik hat weder ein Ausländer- noch ein Türkenproblem. Sie hat ein Zuwanderungssteuerungsproblem. Und wir haben in diesem Land ein Integrations- und Gleichstellungsproblem mit großen zugewanderten Gruppen unserer Wohnbevölkerung. Diese Probleme sollte man mit der “linken Hand” nicht als Türkenproblem abtun.

–          Über 700.000 türkischstämmige Menschen haben gegen administrative und politische Widerstände die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen. 470.000 von ihnen sind wahlberechtigt. Die türkischstämmige Community in Deutschland ist keine muslimische Diaspora. Es gibt politische Kreise, die daran arbeiten, und es gibt undifferenzierte populistische Äußerungen, die ihnen dabei Schützenhilfe leisten.

–          Herr Wehner negiert die Existenz einer türkischen Elite (TAZ 10.9.02). Es gibt sie. Wer aber nur “Sprengstoff” sieht, kann sie und ihren Kampf um Integration nicht sehen.

–          Herr Wehler reduziert Europa auf einen jüdisch-römisch-griechischen Hintergrund mit christlicher Tradition. Für uns ist Europa ein globales Modell einer offenen und multikulturellen Gesellschaft. Europa überwindet Kulturgrenzen. Die übergroße Mehrheit der Bevölkerung in der Türkei und der Deutsch-Türken bekennt sich zum westlichen Ziwilisationsmodell und möchte einen EU-Beitritt der Türkei. Kein anderer EU-Kandidat unternimmt derartig große Bemühungen wie die Türkei, die eigene Kulturgrenze zu überwinden, um ein Teil Europas zu sein. Die Türkei will als ein laizistischer Staat einem säkularen Europa beitreten. Wer Europa auf einen christlichen Klub reduziert, redet einem “Kampf der Kulturen” zwischen dem islamischen und dem christlichen Fundamentalismus das Wort und begeht einen Akt der mutwilligen Zerstörung.

Wir fordern Herr Prof. Dr. Hans-Ulrich Wehler auf, nicht den populär wissenschaftlichen Messias zu spielen, sondern in die Reihen der seriösen Wissenschaftler zurückzukehren.

Alişan Genç

(Stellv. Bundesvorsitzender)

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