Die Türkische Gemeinde in Deutschland e.V. (TGD) begrüßt grundsätzlich das Ziel, das Staatsangehörigkeitsrecht zu modernisieren. Umso unverständlicher ist es, dass der aktuelle Referentenentwurf eine Verschärfung der Einbürgerungsfristen vorsieht – nämlich eine Verlängerung der Mindestaufenthaltsdauer von bisher 3 auf 5 Jahre. Dies stellt einen Rückschritt dar, den wir entschieden ablehnen.
- Staatsbürgerschaft als Motor der Integration, nicht als ihr Abschluss
Die Vorstellung, Integration müsse vor der Einbürgerung „abgeschlossen“ sein, ist sachlich wie gesellschaftlich verfehlt. Integration ist ein fortlaufender Prozess, bei dem die Staatsangehörigkeit ein entscheidender Impuls und Ausdruck von Zugehörigkeit ist. Eine frühe Einbürgerung ist ein Zeichen der Wertschätzung und ein Vertrauensvorschuss des Staates, der Engagement und Teilhabe stärkt. Wer Menschen lange ausschließt, erschwert genau jene Integration, die man angeblich abwarten möchte.
- Belastung für Betriebe und Verwaltung – ein wirtschaftlicher Rückschritt
Viele Menschen mit Migrationsbiografie arbeiten in kleinen und mittelständischen Unternehmen, die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilden. Die ständige Notwendigkeit, Aufenthaltstitel zu verlängern oder Dokumente bei den Ausländerbehörden vorzulegen, bindet wertvolle Arbeitskraft – sowohl bei den Betroffenen als auch in den Betrieben. Unternehmer*innen berichten, dass sie zusätzliche Mitarbeitende einstellen müssen, nur um verwalterische Aufgaben rund um Aufenthalt und Arbeitsrecht zu bewältigen.
Auch die öffentliche Verwaltung selbst ist mit zeitraubenden Verfahren belastet, die weder effizient noch zukunftsfähig sind. Eine frühere Einbürgerung reduziert diesen Aufwand erheblich – für alle Beteiligten.
- Deutschland braucht internationale Wettbewerbsfähigkeit
Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland beim Zugang zur Staatsangehörigkeit nicht gut ab. Länder wie Kanada, Australien oder Frankreich bieten frühzeitig rechtliche Sicherheit und Teilhabe – das macht sie attraktiver für qualifizierte Einwanderung. Wenn Deutschland Talente halten und neue gewinnen möchte, braucht es ein Staatsangehörigkeitsrecht, das Zugehörigkeit nicht verzögert, sondern aktiv ermöglicht. Gerade angesichts des wachsenden Fachkräftemangels ist eine Einbürgerung nach klaren und erreichbaren Fristen und Bedingungen ein entscheidender Standortvorteil.
- Die nächste Generation braucht Vorbilder und Sicherheit
Die verlängerten Einbürgerungsfristen treffen nicht nur direkt Betroffene – sie wirken auch auf ihre Kinder und Familien. Wenn Eltern trotz jahrelangen Aufenthalts und gesellschaftlicher Teilhabe keine deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, entsteht ein Gefühl von Ausgrenzung, das sich auf nachfolgende Generationen überträgt. Das schwächt das Vertrauen in den Staat und erschwert die Identifikation mit Deutschland. Eine klare, frühe Perspektive auf Einbürgerung ist deshalb auch ein integrationspolitisches Signal an die zweite Generation: Ihr gehört dazu – und das von Anfang an.
- Unser Appell an die Bundesregierung und den Bundestag
Die Türkische Gemeinde in Deutschland fordert deshalb:
- Die Beibehaltung der bestehenden Einbürgerungsfristen (3 Jahre bei besonderen Integrationsleistungen, 5 Jahre regulär),
- den konsequenten Abbau bürokratischer Hürden im Einbürgerungsverfahren,
- und eine Einbürgerungspolitik, die Zugehörigkeit fördert statt verzögert.
Wir appellieren insbesondere an die Fraktionen der SPD und CDU/CSU, die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und integrationspolitischen Realitäten anzuerkennen – und den Referentenentwurf in diesem Punkt klar zu korrigieren. Ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht braucht Mut zur Zugehörigkeit, nicht Rückkehr zur Abgrenzung.